Jean Paul, Johann Wolfgang von Goethe, Hans Sachs, Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide und jetzt Alexander von Humboldt. Der Schrenk-Verlag aus Gunzenhausen gibt seit Jahren eine Reihe „Auf den Spuren der Dichter und Denker in Franken“ heraus. Bereits im Sommer soll dabei erstmals eine ausführliche Publikation über das Wirken des Universalgenies Alexander von Humboldt erscheinen. Autor wird der international anerkannte Wissenschaftler Dr. Frank Holl aus München sein. Im Interview äußert sich Holl über die Bedeutung Alexander von Humboldts in der Gegenwart und über seine geplante Veröffentlichung.

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An der Büste von Alexander von Humboldt in Goldkronach trafen sich (von links): Humboldt-Experte Reinhard Stelzer aus Himmelkron, der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk sowie die Buchautoren Dr. Frank Holl und Dr. Eberhard Schulz-Lüpertz.

Frage: Wie ist es für Sie zu erklären, dass die Faszination Alexander von Humboldts nach wie vor ungebrochen ist?

Dr. Frank Holl: Er ist unglaublich modern. Nehmen wir an, eine Zeitmaschine brächte ihn in unsere Gegenwart. Dann könnte er hier sofort als Direktor einer großen wissenschaftlichen Institution arbeiten, zum Beispiel der Fraunhofer- oder der Max-Planck-Gesellschaft, oder als Leiter eines großen Unternehmens oder als Generaldirektor der UNESCO. Warum? Weil er die wesentlichen Zusammenhänge verstanden hat, die unsere Welt bewegen. Das einzige, worin er sich vermutlich kurz einarbeiten müsste, wären die Computer. Aber da er unglaublich schnell lernte, hätte er auch das sicher rasch erledigt.


Frage: Alexander von Humboldt gilt in vielen Teilen der Welt als bekanntester Deutscher, was hat er uns heute noch zu sagen?

Dr. Frank Holl: Humboldt suchte die großen Zusammenhänge. Da können wir sehr viel von ihm lernen. Er betrachtete die Welt als einen Raum von Wechselwirkungen. „Mein eigentlicher, einziger Zweck ist, das Zusammen-und Ineinander-Weben aller Naturkräfte zu untersuchen“, schrieb er 1799. Das war lange bevor der Begriff Ökologie geprägt wurde. Er war der erste globale Denker. Forschung und politische Verantwortung waren für ihn nicht zu trennen. Auch in seinen wissenschaftlichen Texten verteidigte er die Menschenrechte, klagte Rassismus und Sklaverei an und plädierte für die rechtliche Gleichstellung aller Bürger. Nicht ohne Grund ist sein Name auf der Welt in Orten, Tieren, Pflanzen, Gegenständen und Institutionen mehr repräsentiert als der jedes anderen Menschen.

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Alexander von Humboldt im 27. Lebensjahr (1796), Stahlstich von Alfred Krausse, um 1850. Foto: Sammlung Holl, München

Frage: Wo würden Sie im langen Leben Alexander von Humboldts die fünf Jahre einordnen, die er im damaligen Fürstentum Ansbach-Bayreuth, vor allem in Goldkronach, Bad Steben und Arzberg, verbracht hat?

Dr. Frank Holl: In der Zeit von Sommer 1792 bis Frühjahr 1797, in der Alexander von Humboldt für den Bergbau in Franken tätig war, spiegelt sich im Grunde bereits alles, was auch sein gesamtes späteres Leben bestimmte: sein Drang, bei der Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bis an die Grenzen der eigenen Leistungskraft zu gehen, seine Unruhe und sein Nomadenleben, wie er es bereits damals nannte. Die fünf fränkischen Jahre Humboldts waren geprägt von seinem Willen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen Bedeutendes zu leisten.

Frage: Was hat er hier für den Bergbau getan?

Dr. Frank Holl: Er hat den fränkischen Bergbau zu einer neuen, letzten Blüte gebracht. Er steigerte die Effizienz, nicht allein durch seine geologischen und technischen Kenntnisse, sondern auch durch die Verbesserung der Ausbildung und sozialen Situation der Bergleute. Durch Humboldts Impulse stieg besonders die Goldförderung hier eine Zeit lang nochmals beachtlich an.

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Diese Büste vor dem Schloss in Goldkronach zeigt Alexander von Humboldt und wurde 2009 enthüllt. Sie stammt von dem Forchheimer Bildhauer Hans Dressel.

Frage: Hat er hier auch geforscht?

Dr. Frank Holl: In Franken zeigt sich zum ersten Mal der wissenschaftlich und praktisch tätige Humboldt. „Ein Menschenleben, begonnen wie das meinige, ist zum Handeln bestimmt“, hat er einmal geschrieben. Neben dem Bergbau befasste sich Humboldt in Franken auch mit der Botanik, der Physik, Chemie und der Physiologie. Er arbeitete hier an vier verschiedenen Büchern zu diesen Themen. Bereits in Franken lässt sich erkennen, was Humboldt später als großes, detailliertes Forschungsprogramm entfalten sollte. Während seiner Expeditionen durch Lateinamerika, Russland und Sibirien, und auch in seinem großen Alterswerk Kosmos nimmt er oft auf Franken Bezug. An diese Gegend, so schreibt er dort 1845, seien, „die frohesten Erinnerungen meines Jugendalters geknüpft“.

Frage: Sind in ihrer geplanten Publikation bislang noch unbekannte Forschungsergebnisse über die Zeit Humboldts in der Region zu erwarten?

Dr. Frank Holl: Ja, auf jeden Fall! Wir setzen die Perspektive anders als bislang. Uns interessiert vor allem der hochmoderne Mensch, den es zu entdecken gilt. Mein Co-Autor Eberhard Schulz-Lüpertz hat sich speziell der bergmännischen Aktivitäten Humboldts angenommen. Er zeichnet das Bild eines modernen Managers, von dem jeder heutige Kollege viel lernen kann. Humboldt behandelte die damaligen Bergarbeiter mit Verantwortungsbewusstsein und großem Respekt. Er verstand es ganz hervorragend, sie zu motivieren, er kümmerte sich um ihre Ausbildung, ihre Sicherheit und ihre Familien. Im Grunde gehört Humboldt in jedes moderne Manager-Lehrbuch.

Frage: Werden Sie auch unbekanntes Material publizieren?

Dr. Frank Holl: Ja! Ein Berliner Antiquar hat mich kürzlich auf einen vierseitigen, noch unveröffentlichten Brief Humboldts aus Goldkronach aufmerksam gemacht. In diesem Zusammenhang möchte ich alle Leser bitten nachzusehen, ob sich in ihrem Besitz Bilder oder Hinweise auf Bilder befinden, die Personen oder Landschaftsansichten aus Franken aus der Zeit zwischen 1750 und 1850 zeigen. Von vielen Zeitgenossen, mit denen Humboldt zu tun hatte, haben wir nämlich leider noch keine Porträts gefunden. Diese würden wir sehr gerne in dem Buch veröffentlichen.

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Eine Gedenktafel am heutigen Gasthof Alexander von Humboldt in Goldkronach erinnert an das Wirken des Universalgenies in der Region.

Frage: Welche Rolle hat bei Ihrer geplanten Publikation über Alexander von Humboldt in Oberfranken das „Alexander-von-Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach“ gespielt?

Dr. Frank Holl: Von diesem Kulturforum gehen seit einiger Zeit höchst bemerkenswerte Impulse für die Region und für die Humboldt-Forschung aus! Auch die Initiative für unser Buch „Alexander von Humboldt in Franken“ kommt ja von dort. Das Humboldt-Kulturforum plant auch eine ganze Reihe von weiteren Aktivitäten. Im Juli wird es ein Symposium sowie eine Literarisch-Musikalische Reise zum Thema „220 Jahre Alexander von Humboldt in Franken“ geben. Das sind großartige Initiativen, die nicht nur den Tourismus beflügeln, sondern auch Alexander von Humboldt unter die Leute bringen.

Interview: Stephan Herbert Fuchs

Zur Person:
Dr. Frank Holl promovierte 1993 an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit einer Arbeit über den Physiker Max Born und dessen Verleger Ferdinand Springer. In Deutschland und dem spanischsprachigen Raum wurde er vor allem durch seine Publikationen und Ausstellungen zu Alexander von Humboldt bekannt. Zwischen 1994 und 2009 konzipierte und organisierte er elf Ausstellungen zu Humboldt in acht Ländern (Mexiko, Kuba, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Peru, Spanien und Deutschland). Seit 2008 leitet er die Münchner Wissenschaftstage. Mit seinen Arbeiten engagiert er sich in erster Linie dafür, einem breiten Publikum wissenschaftliche Erkenntnisse auf allgemeinverständliche Weise zu vermitteln.