Die Wissenschaft kann dazu beitragen, verschiedene Religionen, Kulturen und ethnische Gemeinschaften näher zusammenzubringen. Das sagt Sarah Stroumsa, Professorin an der Universität von Jerusalem und Trägerin des Forschungspreises der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Am Sonntag war die renommierten Islamwissenschaftlerin und Judaistin bei der ersten Goldkronacher „Kosmos-Vorlesung“ in der dortigen Stadtkirche zu Gast.

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von links: Dr. Steffen Mehlich (Leiter der Abteilung Förderung und Netzwerk der Alexander von Humboldt Stiftung), Prof. Dr. Christoph Bochinger (Stellv. Vorsitzender des Senates der Universität Bayreuth, Lehrstuhl Religionswissenschaft II), Prof. Dr. Sarah Stroumsa (Forschungspreisträgerin der Alexander von Humboldt-Stiftung), Hartmut Koschyk MdB (Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen) und Günter Exner (1. Bürgermeister der Stadt Goldkronach).

Sarah Stroumsa erforscht die gemeinsame Geistesgeschichte von Juden, Muslimen und Christen. Derzeit ist die ehemalige Rektorin der Hebräischen Universität in Jerusalem als Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin ein Jahr lang an der Freien Universität Berlin zu Gast. Ausgehend vom Beziehungsgeflecht zwischen Christen, Juden und Muslimen im Mittelalter geht es der Wissenschaftlerin um den interreligiösen Dialog und um das Zusammenleben von Juden und Palästinensern im Nahen Osten.

Ein großes Anliegen ist Sara Stroumsa der akademische Austausch über politische Grenzen hinweg. Zu diesem Zweck hat Stroumsa mit einem palästinensischen Kollegen vor einigen Jahren eine Online-Plattform unter dem Namen „intellectual Encounters“ ins Leben gerufen, um sich gegenseitig Informationen ohne Barrieren zugänglich zu machen. Ihrer Meinung nach besteht die Hauptaufgabe einer Universität darin, Brücken zu schlagen, sagte die Professorin, die zuletzt in Berlin mit dem Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung ausgezeichnet wurde.

Auf der Online-Plattform ist deshalb im Laufe der Zeit eine virtuelle Bibliothek mit philosophischen und geschichtlichen Werken entstanden, die unterschiedliche Anschauungen vertreten und die von verschiedenen ethnischen, religiösen und kulturellen Gruppen stammen. Palästinensische , israelische, amerikanische und deutsche Studenten finden sich aber nicht nur online auf dieser Plattform wieder. Es gibt auch regelmäßige reale Begegnungen in Form von Kursen oder Workshops.

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Zu Alexander von Humboldt merkte Sara Stroumsa an, dass es sein oberstes Ziel gewesen sei, die Natur als großes Ganzes zu verstehen. Dabei habe er sich aber auch immer wieder mit den Notlagen der Bevölkerung beschäftigt, Missstände angeprangert, sich um die Schulbildung und den allgemeinen Wohlstand gesorgt. „Seine Erkenntnisse für ein besseres Leben der Menschen nutzbar zu machen, das war Humboldts Anliegen.“

Alexander von Humboldt selbst hatte nach den Worten des Parlamentarischen Finanzstaatssekretärs Hartmut Koschyk bereits 1826 in der Berliner Singakademie so genannte „Kosmos-Vorlesungen“ gegeben. Sie galten damals als kultureller Höhepunkt in Berlin. „Mit den Goldkronacher Kosmos-Vorlesungen wollen wir an diese Tradition anknüpfen“, sagte Koschyk. Aus Humboldts Vorlesungen heraus sei damals das fünfbändige Werk „Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ entstanden. Alexander von Humboldt hatte darin erstmals den Versuch unternommen, dem Leser eine Gesamtschau seiner wissenschaftlichen Welterforschung zu vermitteln.

Dr. Steffen Mehlich, Leiter der Abteilung Förderung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, machte die große Bedeutung der Stiftung an den vielen prominenten „Humboldtianern“ fest. 49 von Ihnen seien im Laufe der Geschichte bereits mit einem Nobelpreis ausgezeichnet worden, zuletzt der französische Quantenphysiker Serge Haroche für die Entwicklung bahnbrechender experimenteller Methoden, die es ermöglichen, Quantensysteme zu manipulieren.

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Schon im Mittelalter habe es verschiedene Querverbindungen zwischen unterschiedlichen Denkwelten gegeben, sagte Professor Christoph Bochinger, Inhaber des Lehrstuhls Religionswissenschaft an der Universität Bayreuth. Schon damals habe die religiöse Prägung die Wissenschaft nicht daran gehindert, in den kulturellen Austausch zu treten.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung in der Goldkronacher Stadtkirche vom Bayreuther Zamirchor mit der Sopranistin Barbara Baier und unter der Leitung von Roland Vieweg.

Beim Zamirchor handelt es sich um einen 2006 gegründeten gemischten Laienchor mit rund 35 Mitgliedern, der es trotz seines relativ kurzen Bestehens schon zu Auftritten bei den Vereinten Nationen in Genf und in New York geschafft hat. Dabei steht für Barbara Baier nicht nur die Musik, sondern auch die Völkerverständigung im Vordergrund: „Das Miteinander von Israelis und Deutschen, von Christen und Juden ist unser Hauptanliegen“, so die Leiterin.

Zu Beginn begeisterten die Besucherinnen und Besucher in der Evangelischen Stadtkirche Goldkronach die jungen Mitglieder des Zamirchor Bayreuth e. V. die von Schüllerinnen der Städtischen Musikschule Kulmbach begleitet wurden.