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Bayreuth. Eine Heilung scheint noch nicht möglich, aber eine Linderung. Die Krankheit mit dem sperrigen Namen „Spinozerebelläre Ataxie“ ist eine Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen des menschlichen Nervensystems. Fünf Betroffene gibt es weltweit pro 100000 Einwohner. In einigen Ländern Lateinamerikas und speziell in Kuba sind es fast 90 Betroffene pro 100000 Einwohner. Aus Kuba kommt auch Luis Velazquez-Perez, der weltweit führende Neurowissenschaftler, der sich der Krankheit angenommen hat und sie seit Jahrzehnten erforscht. Weil Velazquez-Perez in diesem Jahr als erster Kubaner überhaupt einen Forschungspreis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung erhalten hatte, war er am Donnerstag auch Gast bei der Kosmos-Vorlesung des Alexander-von-Humboldt-Kulturforums im Iwalewa-Haus.

„Unser Ziel wäre es, die Krankheit zu behandeln, bevor sie überhaupt ausbricht“, sagte Velazques-Perez, der als bekanntester Wissenschaftler Kubas gilt. Während die Krankheit, die sich nach ihrer englischen Bezeichnung „Spinocerebellar Ataxie“ mit SCA abkürzt, in Lateinamerika ein großes Thema ist, scheint sie hier relativ unbekannt. Und das, obwohl man sich durch die Forschungsergebnisse auch Aufschlüsse für andere Krankheitssymptome wie Parkinson, ALS oder Demenz erhofft.

SCA äußert sich in Koordinations- und Bewegungsstörungen, das Sprechen fällt schwer, Reflexe sind gestört, die Augenbewegungen verlangsamt. Ursache sind nach den Worten des Wissenschaftlers degenerative Störungen des Nervensystems, wobei vor allem das Kleinhirn betroffen ist. Noch immer gibt es kein Medikament und keine Behandlungsmöglichkeit, aber dafür 43 molekulare Subtypen, also Ausprägungen der Krankheit. Warum SCA ausgerechnet in Brasilien, Venezuela, Mexiko und eben auf Kuba so oft auftritt, auch dafür gibt es noch keine schlüssige Erklärung. Trotzdem habe man auch dank der Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten bereits Fortschritte in der klinischen Forschung erzielt, so dass Linderungen und eine Verlangsamung des Krankheitsverlaufs möglich sind, sagte Velazquez-Perez.

Zuvor hatte der bisherige Bundesbeauftragte Hartmut Koschyk für das Kulturforum erläutert, was es mit den Kosmos-Vorlesungen auf sich hat. Alexander von Humboldt selbst habe bereits ab 1826 in der Berliner Singakademie insgesamt 61 Kosmos-Vorlesungen gegeben. Sie galten damals als kultureller Höhepunkt in Berlin, in ihnen fasste Humboldt die Ergebnisse seiner Reisen und seiner Forschungen zusammen.

„Mit den Kosmos-Vorlesungen des Kulturforums wollen wir an diese Tradition anknüpfen“, sagte Koschyk. „Humboldt sei es um die „Beschreibung der Welt“ gegangen. Aus seinen Vorlesungen heraus sei damals das fünfbändige Werk „Kosmos – Entwurf einer physischen Weltbeschreibung“ entstanden. Alexander von Humboldt hatte darin erstmals den Versuch unternommen, dem Leser eine Gesamtschau seiner wissenschaftlichen Welterforschung zu vermitteln. Ganz wichtig sei es dabei auch, dass Alexander von Humboldt mit seinen Kosmos-Vorlesungen auch ein Stück Sozialgeschichte geschrieben hat, denn erstmals überhaupt durften auch Frauen daran teilnehmen.

Koschyk begrüßte dabei, dass die Universität Bayreuth ihre Fühler aktuell nach Kuba ausstreckt und Wissenschaftskooperationen mit den Hochschulen in Havanna, Santiago, Santa Clara und Holguin, der Heimatuniversität von Professor Velasquez-Perez anstrebt. Steffen Mehlich von der Humboldt-Stiftung erinnerte daran, dass der aktuelle Chemie-Nobelpreisträger Joachim Frank ebenfalls Humboldt-Stipendiat war. Frank habe im Freistaat sein Diplom gemacht und 1994 den Humboldt-Forschungspreis erhalten.

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Bild: Erster Humboldt-Forschungspreisträger aus Kuba und weltweit führender Neurowissenschaftler: Luis Velazquez-Perez sprach bei der Kosmos-Vorlesung des Humboldt-Kulturforums im Iwalewa-Haus.

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Bild: Abteilungsleiter Förderung und Netzwerk der Alexander von Humboldt-Stiftung, Dr. Steffen Mehlich

 

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