Ein Vortrag von Dr. Tobias Kraft

Der preußische Forschungsreisende Alexander von Humboldt wurde mit seiner Reise durch die amerikanischen Tropen in den Jahren 1799-1804 zu einer international anerkannten Persönlichkeit der Wissenschaft. Sein Forschungsprogramm umfasste den Menschen und die Natur und gilt als einer der großen Leistungen europäischer Wissenschaft im 19. Jahrhundert. Insbesondere in Hispanoamerika hat sein Werk und Wirken bis heute eine herausragende Bedeutung. In Kuba wird er erinnert als der „zweite Entdecker“ der Insel, nach Kolumbus und vor Fernando Ortíz, dem berühmten kubanischen Soziologen und Kulturtheoretiker, der 1930 mit einer kritischen Ausgabe von Humboldts Essai politique sur l‘île de Cuba die Wiederentdeckung von Humboldts Werk auf Kuba einleiten sollte. Heute beherbergt die Casa Museo Alejandro de Humboldt in der Altstadt von La Habana das weltweit einzige Humboldt-Museum, auf der Insel ist der Weltbürger aus Tegel längst Teil des eigenen Kulturerbes. Das Spektrum dieser Zuschreibungen zeigt das Spannungsfeld heutiger Humboldt-Forschung zwischen kolonialer Epoche, euro-amerikanischen Kulturtransfers und zeitgenössischer Rezeption. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie erinnern wir uns an Humboldt und wie erneuern wir den Umgang mit seinem Werk und Wirken heute im digitalen Zeitalter? Das Proyecto Humboldt Digital (ProHD) arbeitet seit 2019 an der digitalen Erschließung der Humboldt-Forschungsquellen auf Kuba. Das Projekt an den zwei Standorten Berlin und La Habana widmet sich dem Aufbau der Strukturen, Methoden und Technologien für eine digitale Kulturerbeforschung historischer Quellen. Hier entstehen neue geisteswissenschaftliche Forschungsressourcen, die in dem gemeinsamen Studienobjekt Alexander von Humboldt einen Anlass gefunden haben, den enormen Reichtum der kubanischen Kulturerbeinstitutionen und historischen Archive für unsere digitale Gegenwart zu öffnen.