Das diesjährige, vom Alexander von Humboldt-Kulturforum Schloss Goldkronach e.V., der Stiftung Verbundenheit sowie dem Evangelischen Bildungswerk Oberfranken- Mitte e.V. am vergangenen Samstag, dem 25. Februar 2023, im großen Saal des Evangelischen Zentrums veranstaltete traditionelle Bayreuther Fastenessen stand ganz im Zeichen des Jahrestags des am 24. Februar 2022 begonnenen russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Sowohl der Spendenzweck – die Unterstützung des Kinderkrankenhauses der Stadt Mukatschewo im ukrainischen Oblast Transkarpatien – als auch die Einladung des aufgrund seiner öffentlich kritischen Haltung zum Ukrainekrieg nach Deutschland geflohenen, emeritierten Bischofs der evangelisch-lutherischen Kirche Russlands, Dietrich Brauer, machten dies deutlich.

Musikalisch umrahmt wurde das Fastenessen durch den Zamirchor, begleitet von Pianistin Oxana Betzmeir, der Gesangssolistin Scarlett Adler und den Zamirsternchen. Der Chor eröffnete die Veranstaltung mit einem ukrainischen Kirchengesang und Felix Mendelsohn Bartoldys „Verleih uns Frieden gnädiglich“. Natürlich stünde beim diesjährigen Bayreuther Fastenessen, was die geistige Ansprache und den Spendenzweck anbelange, der Jahrestag des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine im Mittelpunkt, betonte Hartmut Koschyk, Vorsitzender des Humboldt-Kulturforums und Ratsvorsitzender der Stiftung Verbundenheit bei der Begrüßung der Gäste. Unter diesen befanden sich neben dem Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth, Thomas Ebersberger, und Landrat Florian Wiedemann auch Landrat a. D. Dr. Klaus-Günter Dietel, der langjährige Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, Manfred Nüssel, der frühere Bayreuther Domkapitular Monsignore Dr. Josef Zerndl, Oberkirchenrat i. R. Helmut Hoffmann, Pfarrer Tiltscher, das Mitglied der evang. Landessynode in Bayern, Robert Glenk sowie als Mitveranstalterin Pfarrerin und Studienleiterin Dr. Angela Hager vom Evang. Bildungswerk Oberfranken-Mitte.

Koschyk dankte allen Unterstützern des Fastenessens – dem Rehateam Nordbayern, der Buchauer Holzofenbäckerei, die das Brot bereitstellte, den Edeka-Schneidermärkten, von denen das Obst stammte, Bad Brambacher und der Brauerei Maisel, die die Veranstaltung mit alkoholfreien Getränken versorgten und dem Blumenladen am Ängerlein, die für den Tischschmuck sorgten. Koschyk hob hierbei insbesondere den Zamirchor unter der Leitung von Barbara Baier hervor. Der Zamirchor hatte schon mehrere humanitäre Veranstaltungen der Stiftung Verbundenheit musikalisch bereichert und darüber hinaus auch Benefizkonzerte für die „Humanitäre Brücke Oberfranken – Transkarpatien“ durchgeführt, darunter ein Benefizkonzert in der Stadtkirche Bayreuth, an dem 15 Musikerinnen des Symphonieorchesters Uschgorod an der Seite einer internationalen Besetzung teilnahmen. So habe der Zamirchor mitgeholfen, „kulturelle Brücken zu schlagen“.

Vor dem Hintergrund des Jahrestages der militärischen Aggression gegen die Ukraine, der „ihn wie uns, zutiefst schmerzt“, sei, so Koschyk, auch seine große Freude darüber, Dietrich Brauer als Gastredner gewonnen zu haben, dadurch getrübt, dass dies ohne den Krieg kaum möglich gewesen wäre.

Der in Wladiwostok in einer russlanddeutschen Familie aufgewachsene Dietrich Brauer fasste nach dem Studium der evangelischen Theologie rasch in der „Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland Fuß. Er wurde Bischof in Moskau Puschkino und – als erster Russlanddeutscher mit lediglich russischer Staatsangehörigkeit – zunächst stellvertretender Erzbischof und schließlich 2014 zum Erzbischof der ev.-luth. Kirche Russlands gewählt. Kurz nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine übte Brauer in seiner Sonntagspredigt (https://www.gustav-adolf-werk.de/files/gaw/downloads/Predigten/2022-02-26_Brauer.pdf) scharfe Kritik am Vorgehen der russischen Staatsführung, stellte sich gegen den Krieg und verweigerte sich im Gegensatz zu fast allen religiösen Führungspersönlichkeiten der Aufforderung, sich in der Kriegsfrage mit der Regierung solidarisch zu erklären. Im März musste er vor Repressalien gegen sich selbst und seine Familie nach Deutschland fliehen und ist derzeit als Vertretungspfarrer in der ev.-luth. Landeskirche in Ulm tätig.

Hartmut Koschyk berichtete über den humanitären Einsatz der Stiftung Verbundenheit im Rahmen der „humanitären Brücke Oberfranken – Transkarpatien“ und stellte das derzeitige Hauptprojekt, die Unterstützung des Kinderkrankenhauses in Mukatschewo (Transkarpatien) vor. Erst am Vortag des Fastenessens sei eine von Stiftungsmitarbeitern begleitete Hilfslieferung mit dringend benötigten medizinischen Geräten und Medikamenten an das Kinderkrankenhaus übergeben worden: Eine mit der Unterstützung des Klinikums Bayreuth geleistete aktuelle Lieferung, für deren Gelingen sich die anwesenden Thomas Ebersberger und Florian Wiedemann stark eingesetzt hätten. Hierfür bedankte sich Koschyk bei beiden ausdrücklich.

Nach einem Grußwort der Pfarrerin und Studienleiterin des evangelischen Bildungswerkes, Dr. Angela Hager, die das biblische Wunder von der Speisung der 5000 metaphorisch für einen Appell dafür verwendete, sich für andere einzusetzen, denn auch Zeit, die man andern schenkt, könne „sich vermehren“, könne wertvoller werden, folgte auf das Lied „Pie Jesu“ von Andrew Lloyd Webber, vorgetragen von den „Zamirsternchen“, die Ansprache Dietrich Brauers.

In seiner Rede wandte Dietrich Bauer die Passion Jesu als Motiv an, anhand dessen er auf das aktuelle Unrecht und Leid des Ukrainekrieges eingehen und doch ein Stück Hoffnung, einen Lösungsweg bewahren kann: Es bestehe „eine Passionszeit im doppelten Sinne: als innere Vorbereitung auf das Auferstehungsfest und eine Zeit voll von neuem sichtbaren, unermesslichen Leiden für die Menschen in der Ukraine“. Doch besteht Hoffnung: „Die Annahme des bitteren Kelchs ist vom Ostersieg nicht wegzudenken. Der Weg des Heils wurde für immer und alle gebahnt durch das Evangelium.“ Daran ändere auch unser Erleben nicht mehr für möglich gehaltener Gewalt und Grausamkeit nichts, auch nicht das Wissen darum, „wie gottlos und satanisch die wahnsinnigen Herrscher der Moderne das Chaos und das unermessliche Leid anrichten.“

Dem standzuhalten, bedarf es des Glaubens, der jedoch nicht dazu dienen dürfe, „von der Welt zu fliehen“. Vielmehr müsse es ein „sehender Glaube“ sein, „der sich vor dem Elend der anderen nicht abwendet. So sehe man die „trübe Realität des Bösen“, „eine Welt, in der der Mensch und sein Leben erneut zum Spielball in einem grausigen Spiel eines einzigen, jeglichen Bezugs zur Realität entrückten Diktators mit seinen surrealen imperialen Ideen werden“.

Zudem werde auch der Glaube missbraucht: der Krieg werde mit Bibelstellen erklärt und „Gräueltaten als unvermeidliche Kosten mit sakralem Unterton gerechtfertigt.“ In der Bibel sei dies die Vorgehensweise des Satans. Doch diesem gelingt sein Werk nur, „solange es die anderen hinnehmen, tolerieren und zulassen“. Denn er benutzt andere, handelt nicht selbst.
Und hierin sieht Brauer die Lösung: dass Viele Menschlichkeit und Glauben bewahren, ihn sogar verstärkt wahrnehmen oder wiederentdecken. „Von Neuem erfahren Sie Gottes und des Menschen Nähe. Das ist gerade das, was den satanischen Kräften die Macht nimmt.“

Anschließend boten „Oh Crux Ave“, vorgetragen vom Zamirchor, und ein gemeinsames Tischgebet von Pfarrerin Dr. Angela Hager und Monsignore Dr. Josef Zerndl Möglichkeit zur Reflektion des gerade Gehörten und bildeten den Auftakt zur Fastenspeise, die aus einer schmackhaften Gemüsesuppe mit Brot bestand.

Der auf die Fastenspeise folgende Liedbeitrag des Zamirchors mit Solistin Scarlett Adler und Pianistin Oxana Betzmair, W. A. Mozarts „Laudate Dominum“, wurde zur stillen Kollekte genutzt. Im Anschluss daran wurde ein am Vortrag aufgezeichneter Film der ukrainischen TV-Journalistin Lene Dej gezeigt, der über die Unterstützung des Kinderkrankenhauses in Mukatschewo durch die „Humanitären Brücke“ informierte und die jüngste Hilfslieferung zum ersten Jahrestag des Kriegsbeginns dokumentierte. Hierauf folgte ein weiteres sakrales Stück von Mozart: „Ave verum“.

Beschlossen wurde des Fastenessen schließlich durch einen gemeinsam von Monsignore Zerndl, Pfarrerin Dr. Hager und Erzbischof emeritus Brauer gesprochenen Segen und dem eindrucksvoll gemeinsam gesungenen Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ von Dietrich Bonhoeffer.

Dass die Veranstaltung in ihrer Gesamtheit, nicht zuletzt auch durch die hervorragenden musikalischen Beiträge des Zamirchors unter der Leitung von Barbara Baier für alle Anwesenden zu einem bewegenden Ereignis gelungen war, ließ sich am Ende auch am Spendenerfolg absehen: für das Kinderkrankenhaus Mukatschewo wurden 1600 € gesammelt.

Sehen Sie hierzu eine kurze Videoimpression der Veranstaltung:

https://www.youtube.com/shorts/oDyQ-RL9cF8

Lesen Sie HIER die Sonntagspredigt Dietrich Bauers vom Februar 2023.

Lesen Sie HIER den Text der Ansprache zum Fastenessen.

Text: Dominik Duda und Florian Schmelzer